Privacy-Handbuch

Mirror von awxcnx.de, Stand: 2013-05-13
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Geotagging ist "the next big thing" unter den Angriffen auf die Privatsphäre. Es geht um die Frage, wo wir etwas tun oder getan haben und welche Bewegungsmuster erkennbar sind.

Standortdaten sind die wertvollsten Informationen für die Werbe­wirtschaft, um zukünftig den Markt zu vergrößern. Ein Online-Versand von Brautkleidern richtet seine Werbung an Frauen zwischen 24-30 Jahren, die verlobt sind. Ein Ladengeschäft stellt zusätzlich die Bedingung, das sie sich häufig im Umkreis von xx aufhalten. Gezielte lokalisierte Werbung ist ein Markt, der durch die Verbreitung von Smartphones stark wächst.

Die Bewegungsanalyse ermöglicht Aussagen über sehr private Details. Man kann z.B. durch die Analyse der Handybewegungen erkennen, ob jemand als Geschäftsreisender häufig unterwegs ist, ob man ein festes Arbeitsverhältnis hat, für welche Firma man tätig ist oder ob man arbeitslos ist. Die Firma Sense Networks ist ein Vorreiter auf dem Gebiet der Bewegungs­analyse. Im Interview mit Technology Review beschreibt Greg Skibiski seine Vision:
Es entsteht ein fast vollständiges Modell. Mit der Beobachtung dieser Signale kann man ganze Firmen, ganze Städte, eine ganze Gesellschaft röntgen.
Das Magazin Wired berichtete im Danger Room (Oktober 2011), dass das FBI Smartphones bereits seit Jahren mit der Zielstellung der "Durchleuchtung der Gesellschaft" trackt. Muslimische Communities werden systematisch analysiert, ohne dass die betroffenen Personen im Verdacht einer Straftat stehen. Das Geotracking von GPS-fähigen Smartphones und GPS-Modulen moderner Fahrzeuge durch das FBI erfolgt ohne richterlichen Beschluss.
... the pushpins on the new FBI geo-maps indicate where people live, work, pray, eat and shop, not necessarily where they commit or plan crimes.
Im September 2012 hat in den USA der Sixth Circuit Court of Appeals entschieden, das bezügliche Standortdaten keine Ansprüche auf Privatsphäre bestehen. Diese Entscheidung ermöglicht es US-Firmen, diese Daten hemmungslos zu sammeln. Die "Dienste" der USA dürfen ohne richterliche Prüfung Standortdaten von GPS-Geräten verfolgen.

Datensammlung

Die Daten werden mit verschiedenen Methoden gesammelt:
  1. Hauptlieferanten für Geodaten sind Smartphones. Über die Hälfte der in verschiedenen Stores downloadbaren Apps versenden Stand­ortdaten unabhängig davon, ob sie für die Funktion der App nötig sind. Der Bundes­daten­schutz­beauftragte erwähnt beispiels­weise eine App, die das Smartphone zur Taschenlampe macht und dabei den Standort an den Entwickler der App sendet. Viele Spiele-Apps der Hersteller iApps7 Inc, Ogre Games, Disney und redmicapps sammeln aggressiv Standortdaten, um spezifische Werbung einzublenden.
  2. Mit Einführung des iPhone 4 hat Apple seine Datenschutzbestimmungen geändert. Die gesamte Produktpalette von Apple (iPhone, Laptops, PCs…) wird in Zukunft den Standort des Nutzers laufend an Apple senden. Apple wird diese Daten Dritten zur Verfügung stellen. Wer Zugang zu diesen Daten hat, wird nicht näher spezifiziert.

    Für die Datensammlungen rund um das iPhone wurde Apple mit dem BigBrother Award 2011 geehrt. Auszug aus der Laudation von F. Rosengart und A. Bogk:
    Apples Firmenstrategie scheint darauf ausgelegt zu sein, möglichst viele Daten der Nutzer zu erfassen, ähnlich wie es soziale Netzwerke auch tun. Werbepartner freuen sich darauf, mit Hilfe von Apple möglichst zielgruppengerechte und standort­bezogene Werbung auf dem Telefon anzeigen zu können.
  3. Millionen von Fotos werden über verschiedene Dienste im Internet veröffentlicht (Flickr, Twitter, Facebook…). Häufig enthalten Fotos in den EXIF-Attributen die GPS-Koordinaten der Aufnahme. Die Auswertung dieser Daten steht erst am Anfang der Entwicklung. Ein Beispiel ist die mit Risikokapital ausgestattete Firma Heypic, die Fotos von Twitter durch­sucht und auf einer Karte darstellt.
  4. Die ganz normale HTTP-Kommunikation liefert Standortinformationen anhand der IP-Adresse. Aktuelle Browser bieten zusätzlich eine Geolocation-API, die genauere Informationen zur Verfügung stellt. Als Facebook im Sommer 2010 die Funktion Places standardmäßig aktivierte, waren viele Nutzer überrascht, wie genau jede reale Bewegung im Sozialen Netz lokalisiert werden kann. (Nicht nur Facebook kann das.)
    Facebook Lokalisierung
    Lokalisierung eines Smartphone durch Facebook
    Mitarbeiter von Facebook haben ein wiss. Paper vorgestellt, um den Wohnort eines Nutzers anhand der Freundschaftsbeziehungen zu bestimmen. Ist die Position von mehr als 5 Freunden bekannt, sind die Ergebnisse besser, als die Geolocation via IP-Adresse.

    Die Deaktivierung von Places schein wirklich umständlich zu sein. Damit wird aber nicht die Erfassung durch Facebook deaktiviert, sondern nur die Sichtbarkeit der Daten!
  5. Lokalisierungsdienste wie Gowalla oder Foursquare bieten öffentlich einsehbare Standortdaten und versuchen, durch spielartigen Charakter neue Nutzer zu gewinnen. Im Gegensatz zu den oben genannten Datensammlungen kann man bei Gowalla oder Foursquare kontrollieren, welche Daten man veröffentlicht oder die Dienste nicht nutzen.

Nichts zu verbergen?

Wer ein praktisches Beispiel braucht: Kanadierin wurde das Krankengeld gestrichen, weil sie auf Facebook fröhliche Urlausbfotos veröffentlichte. Die junge Frau war wegen Depressionen krank geschrieben und folgte dem Rat ihres Arztes, einmal Urlaub zu machen und Zusammen­künfte mit Freunden zu suchen. Die Krankenkasse nutzte keine technischen Geo-Informationen sondern stellte visuell durch Beobachtung des Facebook-Profils den Aufenthaltsort fest. Aber das Beispiel zeigt, dass die automatisierte Auswertung Konsequenzen haben könnte.

Einen ähnlichen Fall gab es 2012 in Östereich. Aufgrund der bei Facebook veröffentlichten Fotos von einem Diskobesuch wurde gegen eine Linzer Kellnerin Klage wegen Kranken­stands­missbrauch erhoben.

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